Privatinsolvenz

Das Verbraucherinsolvenzverfahren

Seit 1999 das Insolvenzrecht die bis dahin gültige Konkursordnung abgelöst hat, haben auch Privatpersonen die Chance, nach finanziellen Schwierigkeiten bei null wieder anzufangen. Dieses Privileg war nach altem Recht Unternehmen vorbehalten. Was umgangssprachlich Privatinsolvenz genannt wird, besteht aus verschiedenen Phasen, von denen die bedeutendste das Verbraucherinsolvenzverfahren ist. Der Schritt in die Insolvenz will aber gut überlegt sein, denn bis zu einer angestrebten Restschuldbefreiung steht eine harte Zeit bevor.

Das sollten Sie über die Privatinsolvenz wissen

Privatinsolvenz

Um sich für oder gegen eine Privatinsolvenz zu entscheiden, muss man den Ablauf des Verfahrens und die Alternativen genau kennen. Die Reform zum 1. Juli 2014 hat zwar die Dauer der sogenannten Wohlverhaltensperiode oder Abtretungsphase in vielen Fällen verkürzt und bietet beiden Seiten Erleichterung. Insgesamt haben aber die Gläubiger durch die Reform mehr gewonnen als die Schuldner.

Wann ist eine Privatinsolvenz geeignet?

Formale Voraussetzung für die Durchführung des Verfahrens ist, dass eine sogenannte natürliche Person – im Gegensatz zur juristischen Person wie Aktiengesellschaft und GmbH – zahlungsunfähig ist und sie keine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit ausübt bzw. ausgeübt hat. Ehemalige Selbstständige dürfen ein Verbraucherinsolvenzverfahren nur durchführen, wenn sie weniger als zwanzig Gläubiger haben und sich darunter keine Arbeitnehmer mit Forderungen aus früheren Beschäftigungsverhältnissen befinden.

Charakterliche Eignung

Es gibt aber auch eine Menge weicher Kriterien, also Persönlichkeitsmerkmale des Schuldners, die für ein erfolgreiches Verfahren gegeben sein müssen. Zunächst einmal ist eine Privatinsolvenz nur sinnvoll, wenn der Schuldner auch in den nächsten Jahren keine Chance sieht, aus eigener Kraft aus den Schulden herauszukommen. Wenn das so ist, darf er sich aber nicht einfach zurücklehnen und darauf warten, dass seine finanziellen Verpflichtungen von allein verschwinden. Er muss sein Budget planen, ohne neue Schulden zu machen, muss diszipliniert Termine einhalten, auch unangenehme Post öffnen und darauf reagieren. Das klingt wie selbstverständlich, aber viele überschuldete Menschen neigen zur Vogel-Strauß-Politik: Kopf in den Sand stecken und Briefe einfach nicht mehr öffnen, denn es könnten Rechnungen und Mahnungen sein. Natürlich machen Fristversäumnisse alles nur noch schlimmer, und wenn der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht, hilft auch Verstecken nichts. Notfalls kommt er in Polizeibegleitung zurück.

Insolvenz wird öffentlich

Vor allen Dingen muss der Insolvenzschuldner damit leben, seinen Namen in der Zeitung zu lesen, denn eine Privatinsolvenz ist ein öffentliches Verfahren, das amtlich bekanntgemacht wird. Auch der Arbeitgeber erfährt wegen der Gehaltspfändung zwingend von der Insolvenz, und auch dem Vermieter als Gläubiger der Mietforderung kann diese Information nicht vorenthalten werden.

Gründe gegen eine Privatinsolvenz

Der wichtigste Grund gegen eine Privatinsolvenz ist eine realistische Möglichkeit, Schulden vollständig zu tilgen, auch wenn es lange dauert. Man darf sich nicht der Illusion hingeben, die Insolvenz sei der leichtere Weg. Ein Leben ohne pfändbares Vermögen und mit einem Einkommen nur bis zur Pfändungsfreigrenze, das sind bei Ledigen rund 1.100 Euro, ist so oder so für die nächsten Jahre angesagt. In der Insolvenz wird das strikt überwacht, außerdem ist das Verfahren sehr teuer. Eine freiwillige Vereinbarung mit den Gläubigern ohne formale Insolvenz führt oft zu einem mindestens ebenso großen Schuldenerlass, spart teure Gebühren, ist schneller umgesetzt und lässt ganz sicher mehr Freiheiten.

Verfahrenskosten auch bei Ausstieg

So wie charakterliche Gründe für eine Insolvenz sprechen, gelten diese Gründe spiegelbildlich als Gegenargumente. Wer selbst schon vermutet, dass er die strengen Auflagen nicht durchhält, sollte sich die Privatinsolvenz reiflich überlegen. Auf den Verfahrenskosten bleibt der Schuldner nämlich sitzen, auch wenn die erhoffte Schuldbefreiung scheitert. Die Höhe der Kosten hängt vom Schuldenstand ab, mit 2.000 Euro als Mindestgebühr sollte man aber rechnen, auch ohne Vermögen und Arbeitseinkommen. Im Ergebnis steht der Schuldner dann wesentlich schlechter da als vorher, nicht nur wegen der Kosten, sondern auch, weil das gescheiterte Verfahren dokumentiert ist. Neue Kredite sind damit praktisch ausgeschlossen. Selbst bei einer problemlos verlaufenden Privatinsolvenz wird ein Wohnungswechsel schwierig, denn die Insolvenz wird bei der Schufa erfasst. Ein neuer Vermieter wird sich schwertun, wenn die Mietzahlungen unsicher sind, und auch Verträge über Energielieferung (Strom, Gas) und Telefon sind praktisch nicht mehr zu wechseln.

Dauer bis zur Schuldenfreiheit

Die Regellaufzeit der Verbraucherinsolvenz beträgt sechs Jahre ab Antragstellung. Seit der Reform 2014 ist eine Verkürzung auf fünf oder drei Jahre möglich. Die Verkürzung um ein Jahr auf fünf Jahre wird vom Insolvenzgericht bewilligt, wenn in den ersten fünf Jahren zumindest die Verfahrenskosten beglichen wurden. Davon profitieren Schuldner mit einem Einkommen bis zur oder nur knapp über der Pfändungsfreigrenze, wenn sie bereit und in der Lage sind, die Verfahrenskosten trotzdem aus dem eigentlich unpfändbaren Teil zu bezahlen. Die Halbierung der regulären Verfahrensdauer auf drei Jahre ist an strengere Voraussetzungen geknüpft. Hier müssen in den ersten drei Jahren die Verfahrenskosten und mindestens 35 % der Schulden bezahlt worden sein. Diese Hürde ist schwerer zu schaffen als es scheint, denn in der Reform des Jahres 2014 wurden gleichzeitig mit der Chance auf ein kürzeres Verfahren auch deutlich höhere Gebühren festgelegt. Die Gerichtskosten sind eher gering, aber der Treuhänder, der die Insolvenzmasse verwaltet, verdient kräftig mit. Bis 25.000 Euro erhält er 40 % der Summe, von den nächsten 25.000 Euro nochmals 25 % und weiter nach einer in der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung (InsVV) geregelten degressiven Staffel. Da kommen bei den üblichen Schuldenbeträgen, um die es in der Privatinsolvenz geht, leicht mehr als 50 % der Schulden zusammen, die zur vorzeitigen Beendigung nach drei Jahren nötig wären.

Privatinsolvenz und Arbeitslosigkeit

Arbeitslosigkeit ist eine der Hauptursachen für die Überschuldung. Es ist deshalb nur folgerichtig, dass eine Privatinsolvenz auch bei Arbeitslosigkeit möglich ist. Allerdings sieht die Insolvenzordnung eine sogenannte Erwerbsobliegenheit vor. Der Schuldner muss also arbeiten oder zumindest nachweisen, dass er sich sehr ernsthaft um eine Beschäftigung bemüht. Es ist sinnvoll, mit der Arbeitsagentur eine Eingliederungsvereinbarung zu schließen, denn damit ist das Bemühen um Arbeit bereits ausreichend bewiesen. Ansonsten würde ihm eine Restschuldbefreiung versagt. Was eine Eingliederungsvereinbarung ist, erklärt der Sachbearbeiter in der Agentur oder beim Jobcenter. Sie ist in den Sozialgesetzbüchern II und III geregelt. Eigentlich ist es nichts anderes als ein Vertrag zwischen der Arbeitsagentur und dem Arbeitslosen, in dem die Leistungen der Agentur und die Eigenbemühungen des Arbeitssuchenden festgehalten sind. Damit sind die Pflichten dokumentiert, und man ist auf der sicheren Seite, was die Voraussetzungen für das Insolvenzverfahren und die Schuldbefreiung angeht. Wer erwerbsunfähig krank ist, muss selbstverständlich nicht arbeiten. Die Krankheit ist weder ein Hinderungsgrund für die Privatinsolvenz noch ein Grund, die Restschuldbefreiung nicht zu gewähren.

Privatinsolvenz und Unterhaltsverpflichtung

Grundsätzlich kann auch für Unterhaltsansprüche, die vor der Insolvenzeröffnung entstanden sind, Restschuldbefreiung gewährt werden. Das betrifft Kindesunterhalt, Ehegattenunterhalt und auch Regressforderungen des Jugendamtes wegen eines Unterhaltsvorschusses. Die Materie ist aber kompliziert. Hat zuvor eine strafrechtliche Verurteilung wegen einer Verletzung der Unterhaltspflicht stattgefunden, hat der Unterhaltsgläubiger gute Chancen, seine Ansprüche als Forderung aus unerlaubter Handlung anzumelden. Dafür gibt es keine Schuldbefreiung. Auch laufender Unterhalt nach Verfahrenseröffnung fällt nicht unter den Erlass. Hierfür kann weiterhin Gehalt gepfändet werden, das damit zur Tilgung von Schulden und Verfahrenskosten aus der Privatinsolvenz nicht zur Verfügung steht.

Diese Schulden können nicht erlassen werden

Die Privatinsolvenz dient der Schuldbefreiung aus allgemeinen Verträgen, zum Beispiel Teilzahlungskäufen, Leasingverträgen oder offenen Telefonrechnungen. Sogar Steuerschulden werden von der Kappung der Schulden umfasst, wenn keine strafbare Steuerhinterziehung vorliegt. Die Insolvenzordnung sieht aber drei Außennahmen vor: 1. Geldstrafen, Buß- und Ordnungsgelder, 2. Forderungen aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen, 3. zinslose Darlehen zur Deckung der Verfahrenskosten. Unter den zweiten Punkt fallen zum Beispiel Schmerzensgelder wegen einer vorsätzlichen Körperverletzung, Schadensersatzforderungen wegen Sachbeschädigung, unter Umständen aber auch – wie oben erläutert – Unterhaltsansprüche, wenn sie entsprechend geltend gemacht werden.

Ablauf des Privatinsolvenzverfahrens

Die Privatinsolvenz ist in maximal vier Schritte unterteilt, die aber nicht alle zwingend abgearbeitet werden müssen. Läuft es gut, ist nach dem ersten oder zweiten Schritt bereits alles erledigt. Schritt 1: Zunächst werden alle Forderungen zusammengestellt und auf dieser Basis eine außergerichtliche Einigung versucht. Das ist der sogenannte Insolvenzvergleich. Kommt dieser Vergleich zustande, ist das weitere Verfahren überflüssig. Schritt 2: Nur wenn der Einigungsversuch scheitert, kann der Schuldner beim Insolvenzgericht einen Antrag auf Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens stellen. Bevor dieses Verfahren eröffnet wird, gibt es aber noch einen Zwischenschritt. Das Gericht prüft nämlich, ob ein gerichtlicher Schuldbereinigungsplan Aussicht auf Erfolg hat. Schritt 3: Nur wenn auch diese Bemühungen scheitern, wird ein Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet. Da es wesentlich weniger komplex ist als das Regelinsolvenzverfahren bei Unternehmen, wird es auch als vereinfachtes Insolvenzverfahren bezeichnet. Im Rahmen des Verfahrens hat der Schuldner die Möglichkeit, eine Restschuldbefreiung zu beantragen. Schritt 4: Soweit im Schlusstermin kein Antrag auf Versagen der Restschuldbefreiung gestellt wird, wird diese angekündigt und tritt nach einer Wohlverhaltensphase von maximal sechs Jahren in Kraft. Das vereinfachte Insolvenzverfahren endet bereits vorher, nämlich mit dem Schlusstermin und der Verteilung des eventuell vorhandenen Vermögens unter den Gläubigern.

Außergerichtlicher Einigungsversuch

Im ersten Schritt, noch bevor ein Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet wird, müssen Schuldner und Gläubiger versuchen, eine gütliche Einigung ohne Einschaltung eines Gerichts herbeizuführen. Der Schuldner sollte sich bereits in dieser Phase fachkundige Hilfe suchen, also eine anerkannte Schuldnerberatung oder einen kompetenten Rechtsanwalt. Das ist nötig, weil eine nach der Insolvenzordnung als geeignet angesehene Stelle gegebenenfalls eine Bescheinigung über das Scheitern der außergerichtlichen Einigung ausstellen muss. Ohne diese Bescheinigung wird das Insolvenzgericht nicht tätig. Geeignete Stellen sind neben den genannten Beispielen auch Notare, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater.

Ermittlung von Gläubigern und Schuldenhöhe

Um die außergerichtliche Einigung zu starten, muss der Schuldner zunächst ein Verzeichnis aller Gläubiger anfertigen und von diesen eine Forderungsaufstellung verlangen. Die Gläubiger müssen diese Aufstellung auf eigene Kosten liefern, das schreibt die Insolvenzordnung vor. Die Aufstellung ist nach Hauptforderung, Zinsen und Kosten zu gliedern.

Erstellung eines Schuldenbereinigungsplans

Nachdem ein vollständiger Überblick über alle Schulden besteht, geht es an die Erstellung eines Bereinigungsplans. Er muss einen Vorschlag enthalten, der alle Gläubiger überzeugt. Widerspricht auch nur einer von ihnen dem Plan oder betreibt er trotz der angestrebten außergerichtlichen Einigung weiterhin die Zwangsvollstreckung, ist der Einigungsversuch gescheitert. Bei den Inhalten eines Schuldenbereinigungsplans wird der Schuldner am besten den umfassenden Erfahrungen der Schuldnerberatung oder anderer eingeschalteter Experten vertrauen. Er kann den Plan zwar selbst aufstellen, benötigt aber spätestens beim Scheitern der Einigung die erwähnte Bescheinigung einer anerkannten Stelle. Sofern es sich nicht um eine ehrenamtliche Schuldnerberatung handelt, fallen für die Beauftragung zum Beispiel eines Rechtsanwalts Gebühren an, deren Höhe vom Umfang der Beratungsleistung, von den Schulden und der Anzahl der Gläubiger abhängt. Mit 300 bis 1.000 Euro sollte der Schuldner rechnen, Beratungshilfe wird dafür in der Regel vom Gericht nicht bewilligt. Im Vergleich zu den Kosten eines richtigen Insolvenzverfahrens ist das aber ein sehr günstiger Preis.

Ein akzeptables Angebot vorlegen

Wenn die Gläubiger erkennen, dass ihre Forderungen keinesfalls in vollem Umfang durchsetzbar sind, dann werden sie einem tragbaren Kompromiss zustimmen, auch wenn sie dabei Verluste wegstecken müssen. Gläubiger verzichten in dieser Phase oft freiwillig auf 70 bis 80 % ihrer Forderungen und machen dennoch ein gutes Geschäft, denn die durchschnittliche Befriedigungsquote im Insolvenzverfahren liegt nur bei 5 %. Besser der Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach – denn wenn jeder auf seinem Recht beharrt, droht der Totalverlust. Der Schuldenbereinigungsplan kann Einmalzahlungen aus eventuell noch vorhandenem Vermögen vorsehen oder Ratenzahlungen, die zur Liquidität des Schuldners passen. Erstes Ziel sollte der Stopp weiterer Zinsforderungen und Mahnkosten sein, die die Schulden vergrößern. Andere Regelungen wie Stundungen und Verzichte sind ebenfalls möglich. Theoretisch ist auch ein sogenannter Nullplan möglich, wenn keinerlei pfändbares Vermögen vorhanden und auch künftig nicht zu erwarten ist. Die Wahrscheinlichkeit einer Zustimmung aller Gläubiger ist dann aber sehr gering, denn weniger als nichts können sie auch bei einem gerichtlichen Verfahren nicht bekommen.

Annahme des Schuldenbereinigungsplans

Der Schuldenbereinigungsplan ist allen Gläubigern zuzustellen, jeder einzelne erhält also auch das Verzeichnis der anderen Gläubiger und ihrer Forderungen. Nur so kann jeder beurteilen, ob der Plan aus seiner Sicht gerecht ist, also alle anteilig gleich viel bekommen bzw. auf gleiche Anteile verzichten müssen. Der Plan gilt nur als angenommen, wenn alle Gläubiger zustimmen und niemand mehr die Zwangsvollstreckung betreibt. Die Annahme des Schuldenbereinigungsplans hat die Wirkung eines außergerichtlichen Vergleichs. Ist der Schuldner allen Verpflichtungen aus dem Vergleich nachgekommen, tritt auch eine darin vereinbarte Restschuldbefreiung in Kraft.

Gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren

Eine außergerichtliche Einigung kann man nicht erzwingen. Schaltet auch nur ein Gläubiger auf stur, geht es nur noch vor Gericht weiter. Zahlen über gelungene außergerichtliche Einigungen gibt es nicht, weil diese Vergleiche nirgends amtlich erfasst werden. Aber rund 100.000 jährliche Anträge auf Verbraucherinsolvenzverfahren zeigen, dass der Gang zum Insolvenzrichter in vielen Fällen unvermeidlich ist.

Antragstellung

Der Antrag auf Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens wird beim zuständigen Amtsgericht gestellt. Üblicherweise ist das das Amtsgericht des Wohnorts des Schuldners. Nur wenn der Mittelpunkt seiner wirtschaftlichen Tätigkeit woanders liegt, ist dieses Gericht zuständig. In der Praxis haben die Bundesländer die Bearbeitung von Insolvenzverfahren auf einige wenige Gerichte zentralisiert. Meist sind nur die Amtsgerichte zuständig, die sich am Sitz der übergeordneten Landgerichte befinden. Mit der Antragstellung ist die Bescheinigung einer geeigneten Stelle (Schuldnerberatung) bzw. einer geeigneten Person (Rechtsanwalt, Notar, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater) über den ernsthaften außergerichtlichen Einigungsversuch und dessen Scheitern vorzulegen. Weitere erforderliche Unterlagen sind Vermögensverzeichnis, Gläubigerverzeichnis und Forderungsaufstellung sowie der Schuldenbereinigungsplan. Das ist alles bereits aus dem außergerichtlichen Einigungsversuch vorhanden und bereitet deshalb keine zusätzliche Mühe. Außerdem ist der Antrag auf Restschuldbefreiung zu stellen, alternativ (selten und praktisch bedeutungslos) die Erklärung abzugeben, dass diese Befreiung nicht gewünscht wird. Zweckmäßig ist es, zeitgleich den Antrag auf Stundung der Verfahrenskosten zu stellen, damit die Schulden nicht durch das Insolvenzverfahren weiter anwachsen.

Erfolgsaussichten der Schuldenbefreiung als Voraussetzung

Nun ist es Sache des Gerichts zu prüfen, ob der Plan zur Schuldenbefreiung Aussicht auf Erfolg hat. Nur wenn das Gericht zu dieser Überzeugung kommt, wird es den Plan an die Gläubiger verschicken und ihnen vier Wochen Zeit für eine Stellungnahme einräumen.

Gerichtliche Durchsetzung des Schuldenbefreiungsplans

Anders als beim außergerichtlichen Einigungsversuch bedarf es zur gerichtlichen Durchsetzung eines Schuldenbefreiungsplans keiner hundertprozentigen Zustimmung aller Gläubiger. Es reicht jetzt, dass die Hälfte der Gläubiger zustimmt. Allerdings muss die Quote von 50 % sowohl nach Anzahl der Gläubiger als auch nach Forderungshöhe erreicht sein. Mit dieser Hürde wird sichergestellt, dass kleine Forderungen nicht einfach untergebuttert werden, andererseits aber auch kein Vergleich an einem einzelnen Großgläubiger wie etwa einer kreditgebenden Bank vorbei erfolgen kann. Ist die hälftige Zustimmung nach beiden Kriterien erreicht, kann das Gericht die Durchsetzung des Schuldenbefreiungsplans gegen den Willen der anderen, widersprechenden Gläubiger erzwingen – das Gericht ersetzt durch seine Entscheidung die fehlende Zustimmung.

Vereinfachtes Insolvenzverfahren

Erst wenn auch die gerichtliche Durchführung der Schuldbefreiung am Widerstand der Mehrheit der Gläubiger bzw. Forderungen scheitert, kommt das eigentliche Insolvenzverfahren in Gang. Im Vergleich zum Vorgehen bei Unternehmensinsolvenzen ist das Verbraucherinsolvenzverfahren weit weniger komplex, es heißt deshalb auch korrekt vereinfachtes Insolvenzverfahren. Unter bestimmten Voraussetzungen kann es sogar schriftlich durchgeführt werden, also ohne Präsenztermin bei Gericht.

Verwertung durch den Treuhänder

In dem Verfahren wird vom Gericht zunächst ein Treuhänder eingesetzt, der die Insolvenztabelle erstellt. Sie entspricht im Prinzip dem Gläubigerverzeichnis und der Forderungsaufstellung aus dem außergerichtlichen Verfahren, zusätzlich wird der Forderungsgrund eingetragen. Danach verwertet der Treuhänder das pfändbare Vermögen des Schuldners – also verkauft oder versteigert beispielsweise pfändbare Sachen und zieht Bankguthaben ein – und schüttet den daraus erzielten Erlös an die Gläubiger aus. Allerdings bedienen sich der Staat und der Insolvenzverwalter zuerst, denn zunächst werden die Verfahrenskosten beglichen. Eine Ausschüttung gibt es nur, wenn danach etwas übrig ist.

Restschuldbefreiung im Schlusstermin

Hat der Schuldner eine Restschuldbefreiung beantragt, was ja eigentlich sein Ziel in diesem Verfahren und deshalb auch praktisch immer der Fall ist, wird darüber im Schlusstermin entscheiden. Nur bei Vorliegen bestimmter Gründe können Gläubiger das Versagen der Restschuldbefreiung beantragen – dazu später mehr. Im Restschuldbefreiungsverfahren muss der Schuldner sein pfändbares Arbeitseinkommen an den Treuhänder abführen, und der verteilt es – wiederum nach Abzug der Verfahrenskosten – an die Gläubiger. Während einer Wohlverhaltensphase von in der Regel sechs Jahren muss der insolvente Schuldner diverse Auflagen erfüllen. Er muss arbeiten oder sich zumindest um Arbeit bemühen und darf dabei keine zumutbare Arbeit ablehnen, Erbschaften muss er zur Hälfte an den Treuhänder abführen, Wechsel von Wohnsitz und Arbeitsplatz dem Gericht und dem Treuhänder mitteilen. Zahlungen darf er ausschließlich an den Treuhänder leisten, also nicht einen der Gläubiger bevorzugt behandeln. Sind nach drei Jahren mindestens 35 % der Schulden und die Verfahrenskosten bezahlt, kann die Restschuldbefreiung vorzeitig ausgesprochen werden. Eine Verkürzung auf fünf Jahre ist möglich, wenn nach dieser Zeit mindestens die Verfahrenskosten gedeckt sind.

Gründe für das Versagen der Restschuldbefreiung

Der Insolvenzschuldner steht während des Verfahrens und in der langen Wohlverhaltensperiode unter strenger Beobachtung. Nicht nur der Treuhänder, auch die Gläubiger achten darauf, dass er nicht schummelt und mehr Geld behält, als ihm zusteht. Die Gründe, die auf Antrag zum Versagen der Restschuldbefreiung führen, sind in § 290 der Insolvenzordnung aufgelistet.

Insolvenzstraftaten

Sogenannte Insolvenzstraftaten in den letzten fünf Jahren vor Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verhindern eine Restschuldbefreiung. Ausschlaggebend ist eine strafrechtliche Verurteilung wegen Bankrott, Verletzung der Buchführungspflicht und Gläubigerbegünstigung (§§ 283 bis 283c Strafgesetzbuch).

Krediterschleichung

Auch vorsätzliche oder grob fahrlässige Falschinformationen, um in den letzten drei Jahren vor der Insolvenz einen Kredit oder öffentliche Leistungen wie Wohngeld oder Hartz IV zu erhalten, rächen sich im Insolvenzverfahren. Wer sich den Kredit unter Vorspiegelung falscher Tatsachen beschafft hat, ist nicht schutzwürdig und muss seine Schulden vollständig bezahlen. Auch Verschwendung von Vermögen, die Aufnahme unangemessener neuer Kredite und die Verzögerung des Insolvenzverfahrens ohne Aussicht auf Besserung der wirtschaftlichen Lage des Schuldners werden für drei Jahre rückwirkend betrachtet.

Mitwirkungspflicht und Erwerbsobliegenheit

Schließlich muss sich der Schuldner im Insolvenzverfahren kooperativ zeigen. Er muss seinen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nachkommen. Falsche Angaben, die mindestens grob fahrlässig erfolgt sind, führen ebenfalls zur Versagung der Restschuldbefreiung. Beim Erstellen des Vermögensverzeichnisses, der Gläubigerliste und der Forderungsaufstellung sollte der Schuldner also besondere Sorgfalt walten lassen. Auch das Drücken vor einer zumutbaren Arbeit kann ihn teuer zu stehen kommen, wenn dadurch die Restschuldbefreiung platzt.

Keine neuen Schulden

Von der Aufnahme neuer Kredite in der Wohlverhaltensperiode ist dringend abzuraten. Zwar sind sie nicht ausdrücklich als Versagungsgründe genannt, aber sie sind auch nicht von einer Schuldbefreiung erfasst. Da alles pfändbare Vermögen, Rechte und Einkommen an den Treuhänder gehen müssen, bleibt keine legale Möglichkeit, Raten für einen neuen Kredit zu bedienen – außer vielleicht aus dem nicht pfändbaren Einkommen. Erfährt einer der Insolvenzgläubiger von den frischen Schulden nach der Insolvenz, kann er die Versagung der Restschuldbefreiung beantragen. Kommt er damit durch, weil beispielsweise ein neuer Gläubiger außerhalb des Verfahrens bevorzugt behandelt wurde, ist der ganze Sinn der mühsamen Insolvenz verloren. Bis zur nächsten Beantragung einer Privatinsolvenz müssen dann zehn Jahre vergehen – in dieser Zeit dürfen die Gläubiger weiter Zinsen und Mahnkosten verlangen, und der Gerichtsvollzieher steht wieder vor der Türe.

Fazit: Die Privatinsolvenz sorgt für Licht am Ende des Tunnels

Mit der Möglichkeit einer Privatinsolvenz haben Verbraucher endlich dieselben Chancen wie Unternehmer – nämlich nach einer Pleite einfach neu anzufangen, statt für den Rest des Lebens an der Abtragung eines Schuldenbergs zu arbeiten, ohne Hoffnung, jemals wieder auf einen grünen Zweig zu kommen. Die Regelung war überfällig. Und doch ist der Weg alles andere als leicht, denn der Gesetzgeber muss auch den Schutz des Gläubigers im Auge behalten und für einen Interessenausgleich sorgen. Ob der Kompromiss gelungen ist, ist umstritten. Einem Schuldner, der aus früheren Fehlern gelernt hat, ehrlich, mit Disziplin und langjährigem Durchhaltevermögen an der Entschuldung arbeitet, bietet die Privatinsolvenz aber eine reale Chance, nach Ende des Verfahrens wieder auf die Beine zu kommen und sich für die Zukunft eine stabile finanzielle Grundlage zu schaffen.

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